AUFSCHREI WIE VOR 40 JAHREN



Universitäten – Aufschrei wie vor 40 Jahren
 
„Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren“ war auf dem Transparent zu lesen, das Ende 1967 das akademische Establishment herausforderte, indem es die altersmorschen Traditionen im Universitätsbetrieb ansprach und auf den drängenden Reformbedarf der Universitäten hinwies. Mit dem Protest gegen den Reformstau an den Universitäten wurde damals der gesellschaftspolitische Aufstand der 68er eingeläutet.

Heute, nach mehr als 40 Jahren sind es nicht nur Studenten, die auf die Straße gehen und ihren Unmut laut äußern. Es sind alle Angehörigen der Universitäten, von den Studenten bis zu den Rektoren, die das nun öffentlich anprangern, was intern schon lange kochte. – Fehlende Ressourcen in Lehre und Forschung, wohin man nur schaut. Zuwenig Personal für die Betreuung
der Studierenden, Raumknappheit im Studienbetrieb wie in der Forschung und fehlende mittel bei einem ungebremsten Andrang von Studierenden. Die Adressaten der Proteste finden sich
in den Zentralen der Regierungsparteien, deren ideologische Rigidität den Spielraum für Regierung und Parlament offensichtlich begrenzt. Einerseits hält man unbeweglich am Paradigma fest, dass die nun autonomen Universitäten selbst für die Auffettung ihrer Budgets zu sorgen haben.

Schließlich könne man ja als Auftragnehmer der Industrie Einnahmen lukrieren oder sich eben den Kopf zerbrechen, wo man sich noch anbiedern könnte, um Mittel zu gerieren. Auf der anderen Seite stehen die, für welche die Massenuniversität das Ziel, Leistungsnachweise ein Sakrileg und
studentische Mitfinanzierung schier undenkbar sind. Und über allem thront eine Politik, die Sparen zum Programm erhoben und als politischen Grundsatz zementiert hat. Nicht die Bewältigung der Zukunft, der Fortschritt, die Chancen der Jugend und die Veränderung der Gesellschaft, sondern
deren Verhinderung scheinen politisches Programm zu sein.
Wer nur bewahrt, bleibt stehen und wer am falschen Ort spart, fällt zurück. Eine Binsenweisheit, die nicht nur für unsere Universitäten, sondern auch für das österreichische Gesundheitswesen gilt. Wer hier immer noch glaubt, dass man einen Wirtschaftszweig, der mit Wertschöpfungseffekten von 22,5 Milliarden Euro – immerhin 9,7 Prozent der gesamtösterreichischen Wertschöpfung - und mit einem Angebot von 445.000 Vollzeit-Arbeitsplätzen durch undifferenzierte Restriktionen weiter entwickeln kann, irrt sich ebenso wie all jene, die glauben, durch Schlankgesparte und chronisch unterfinanzierte Universitäten,
wissenschaftliche Entwicklungen gerieren und den akademischen Nachwuchs ausbilden zu können. Dabei sind gerade das die Ressourcen, die ein rohstoff- und industriearmes Land wie Österreich braucht, um auch weiterhin im Spitzenfeld der hochentwickelten Staaten mitspielen zu
können. Den Menschen unseres Landes ist nicht gedient, wenn nach Jahrzehnten des politischen Irrweges ein „mea culpa“ ertönt, wie jüngst von Andreas Kohl. In seinem Bekenntnis hat der Mastermind der österreichischen Familienpolitik der letzten Jahrzehnte diese Politik durch einen – nicht zuletzt auch von ihm mitgetragenen - unreflektierten Konservativismus als gescheitert
erklärt. Genauso ist den kommenden Generationen nicht gedient, wenn unreflektierte
und objektiv fragwürdige Paradigmen im Bildungsbereich mit politischer Arroganz verteidigt werden und damit der Fortschritt verhindert und die Zukunft des Landes und ihrer Menschen gefährdet wird.

Artur Wechselberger