Auch Aktionen sind geplant



Ärzte wollen nicht erpressbar werden!
 
Das was den Österreichern als Gesundheitsreform verkauft wird ist, wie der Präsident der
Ärztekammer für Tirol präzisiert, keine Reform sondern bestenfalls der Versuch die dramatische Finanzsituation der sozialen Krankenversicherungen in den Griff zu bekommen!


In einem Aufwischen will dabei die zurzeit politisch dominante Wirtschaftskammer die traditionelle Vorherrschaft der Arbeitnehmervertretung in den Krankenkassen beseitigen. Unter dem Titel der Strukturreform versucht sie die Selbstverwaltung in den Griff zu bekommen und über einen zentralen Zugriff auf die verschiedenen Krankenversicherungsträger und eine Stärkung der Kontrollinstanzen die Entscheidungen in den Krankenkassen zu diktieren. Im Gegenzug sollen die Krankenkassen nicht nur die für ihr wirtschaftliches Überleben notwendigen Finanzmittel sondern auch mehr Macht und Einfluss gegenüber ihren ärztlichen Vertragspartnern erhalten.

Wenn auch die Auswahl des billigsten verfügbaren Medikamentes durch den Apotheker unter dem Gesichtspunkt der Patientensicherheit, Therapiefreiheit und Gefahr für die Compliance der Patienten viele bedenkliche Elemente erhält, ist es aber letztlich der generelle Angriff auf die Vertragspartnerschaft im vorliegenden Gesetzentwurf, der zu einer nachhaltigen Systemänderung führen würde.

Über befristete Verträge wird versucht wirtschaftlichen Druck auf die Vertragsärzte auszuüben und ökonomisches und organisatorisches Wohlverhalten zu erzwingen. Ebenso soll der Plan über Direktverträge mit einzelnen Ärzten unter Umgehung des Gesamtvertrages diesen auszuhebeln, die Abhängigkeit der einzelnen Vertragsärzte in existenzbedrohende Dimensionen heben. „Ärzte brauchen, um ihren Beruf möglichst unbeeinflusst, als Anwälte der Gesundheit ihrer Patienten, ausüben zu können, den Schutz eines Gesamtvertrages. Fällt dieser weg, dann stehen sie als erpressbare Einzelpersonen einer Übermacht der Krankenkassen gegenüber“, so die Erklärung von Präsident Wechselberger.

Nahezu klein, jedenfalls aber kleinlich, nehmen sich zu dieser Bedrohung die Pläne aus, den Ärzten mit der Pflicht zur Ausstellung einer „Patientenquittung“ eine zusätzliche bürokratische Belastung aufzuzwingen. Dass der Ausdruck von jährlich 100 Millionen Patientenquittungen keine Sparmaßnahme sondern eine Schikane darstellt ist ebenso offenkundig.

Hatte es bis vor einer Woche noch deutliche Signale von Seiten des Gesundheitsministeriums gegeben, einige der für die Ärzteschaft inakzeptablen Inhalte des Sozialpartnerpapiers wegzulassen bzw. abzuschwächen, so zeigt der nun vorliegende Gesetzesentwurf, dass die Frau Gesundheitsministerin Dr. Andrea Kdolsky sich offensichtlich auch nicht gegenüber den befassten Mitgliedern der Bundesregierung und den Sozialpartnern aus Gewerkschaft und Wirt-schaftskammer durchsetzen konnte.

Somit gilt es im Rahmen der Begutachtungsfrist die Argumente der Ärztekammer gegen diesen Gesetzesentwurf einzubringen. Neben den begleitenden politischen Kontakten werden es auch die Reaktionen der Ärzteschaft sein, die unsere Argumente unterstützen können.

Nicht nur die bereits niedergelassenen ÄrztInnen sind von den im Entwurf geplanten gravierenden Änderungen negativ betroffen, sondern auch die jungen Kolleginnen und Kollegen in den Spitälern, die ihre weitere berufliche Zukunft in der Niederlassung sehen.
Indirekt würden die Reformmaßnahmen aber auch Auswirkungen auf die gesamte Spitalsärz-teschaft über den Weg der zusätzlichen Arbeitsbelastung, haben.


Die wesentlichsten Punkte des Entwurfs im Detail sind:


1. Getrennte Gesamtverträge für einzelne Fächer:

• Gesamtverträge können auch gesondert für AM und für FÄ eines Sonderfaches abgeschlossen werden.

2. Möglichkeit der Teilkündigung für einzelne Fächer

• Teilkündigungen eines Gesamtvertrages für AM und für FÄ eines Sonderfaches zulässig.

3. Befristete Einzelverträge

• Einzelverträge die nach dem 31.7.2008 abgeschlossen werden:
     o Verlängerung nach jeweils 5 Jahren nur, wenn bestimmte Kriterien, welche durch Verordnung der
        BMGFJ festgelegt werden, erfüllt sind.

• Bis zum 31.7.2008 abgeschlossene Einzelverträge:
     o Ebenfalls Evaluierung alle 5 Jahre anhand obiger Kriterien mit Kündigungsmöglichkeit, wenn die
        Kriterien nicht erfüllt werden.

4. „Leistungsverträge“ im vertragslosen Zustand


• Im vertragslosen Zustand (nach Kündigung des Gesamtvertrages) sowie wenn so viele Vertragsärzte ihren Einzelvertrag gekündigt haben, dass die Versorgung nicht mehr sichergestellt ist, sollen die KV-Träger mit einzelnen Ärzten Verträge („Leistungsverträge“) abschließen können.

• Diese Vertragsabschlüsse bedürfen nicht der Mitwirkung der zuständigen ÄK.

5. ELGA

• Verpflichtung niedergelassener Ärzte zur Teilnahme an ELGA einschließlich E-Medikati-ons-Datenbank.

6. Aut idem

• Die Apotheker werden verpflichtet, unabhängig von der vom Arzt verordneten Spezialität, das entsprechend eines Referenzpreises günstigste substanzgleiche Präparat abzugeben oder vom Patienten eine Aufzahlung zu verlangen.

• Diese Möglichkeit wird dann gegeben sein, wenn die Ärzte ein Medikament nur mit der Wirkstoffbezeichnung oder einen Produktnamen ohne dezidierten Ausschluss von aut idem rezeptieren. Wird ein Produktname mit expliziertem Hinweis auf den Ausschluss von aut idem verordnet, dann müssen die Gründe für die Ausschlussmöglichkeit wie nachgewiesene Unverträglichkeit gegen Hilfsstoffe, Kinder bis 14. Lj, Nichteignung einer anderen Dosierung oder medizinischtherapeutische Unzweckmäßigkeit jeweils dokumen-tiert werden.

• In Krankenanstalten:
    - Anwendung des Erstattungskodex und der Richtlinie für die ökonomische Ver-schreibweise für
      die Vorsorge nach der Entlassung.
    - Abstimmung mit dem chef- und kontrollärztlichen Dienst für die weiteren Maßnahmen nach der
      Entlassung.
    - Unverzügliche Anfertigung des Entlassungsbriefes mit maßgebenden Angaben und Empfehlungen
      hinsichtlich der weiteren Medikation.
    - Ab 1.1.2010 unter Angabe des Wirkstoffes oder der Wirkoffkombination, es sei denn,
      medizinische Gründe erfordern ein bestimmtes Präparat

7. Patientenquittung

• Vom Vertragsarzt soll unmittelbar nach jeder Inanspruchnahme eine Patientenquittung ausgestellt werden.

Um, wie oben angeführt, die Stellung der Ärztekammer im Sinne ihrer ÄrztInnen aber auch der PatientInnen zu unterstreichen und die Erfolgschancen nach Änderung des Entwurfs zu erhöhen, ist eine breite Öffentlichkeitsarbeit geplant. Auch Aktionen der Ärzte wie ein Protestmarsch am
3. Juni 2008 vom Stephansplatz zum Parlament und Schließungen der Arztpraxen sind geplant.