GESUNDHEITSPOLITISCHES ARMUTSZEUGNIS



Präsident Wechselbergrer bezeichnet Sparvorschläge des Hauptverbandes als gesundheitspolitisches Armutszeugnis
 
Einen absoluten Tiefpunkt in den - an Kuriositäten nicht armen - gesundheitspolitischen Zieldefinitionen setzt der Hauptverband der Sozialversicherungsträger mit seinem
Konzept, nach welchem von 2008 bis 2010 rund eine Milliarde Euro im Gesundheitsbereich eingespart werden soll.

 
„Wer bis zuletzt noch Hoffnungen hegte, dass gesundheitspolitische Zielsetzungen etwas mit Maßnahmen zur Gesunderhaltung, Verbesserung der Krankenbehandlung oder freiem Zugang zum Versorgungssystem zu tun hätte, wird hier eines Besseren belehrt. Das gesundheitspolische Ziel und damit die Entwicklungsperspektive des Hauptverbandes heißt ausschließlich Sparen“, so die Reaktion der Ärztekammer für Tirol auf dieses Paket.

Zu den „Gustostückerln“ aus der Wiener Sozialversicherungszentrale zählen:

Änderung des Stellenplans und Verringerung von Vertragsarztstellen, indem freie Stellen nicht mehr automatisch nachbesetzt werden. „Nicht zu viele – sondern zuwenig Vertragsarztstellen gibt es in Tirol“, so die Reaktion von Dr. Momen Radi, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte, der gerade Gespräche mit der TGKK führt, um den Stellenplan auszuweiten und Versorgungslücken zu schließen. „Es sei denn man will den niedergelassenen Bereich bewusst zurückfahren und die Versorgung in die Krankenhäuser verschieben“, so der Kurienobmann weiter, dem allerdings der Beweis fehlt, dass die Krankenhäuser preiswerter arbeiten als die Arztpraxen. Ist doch gerade der stationäre Bereich das wahre ökonomische Sorgenkind und sind doch die österreichischen Krankenhauskosten die höchsten im OECD-Vergleich.

Altersgrenze für Mediziner. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter für Ärztinnen und Ärzte liegt in Tirol bei 65 Jahren. Ein volkswirtschaftlicher Traumwert, der dem Hauptverband offensichtlich ein Dorn im Auge ist. Unverständlich besonders auch deshalb, weil gerade ältere Ärztinnen und Ärzte erwiesenermaßen nicht zu den Kostentreibern im System gehören.

Eine Deckelung der Gesamtausgaben für die Ärztevergütung. Das System des gedeckelten Kostenrahmens funktioniert schon im Krankenanstaltenbereich nicht, obwohl es dort bereits vor zehn Jahren eingeführt worden war. Unter dem Titel der Abgangsdeckung müssen die öffentlichen Träger der Krankenanstalten deren Defizite, also die Deckelüberschreitungen bezahlen. Gedeckelte Honorare im Niedergelassenen Bereich, wo es keine Abgangsdeckung gibt, können nur eine Beschränkung im Leistungsbereich bedeuten. – Z.B. durch Zwangsurlaub für Vertragsärzte und deren Mitarbeiter bei Erreichen des Honorardeckels oder Verschiebung einer Leistung in die nächste Abrechnungsperiode.

„Wer eine Rezertifizierung des Kassenvertrags alle fünf Jahre in Abhängigkeit von ökonomischem Vorgehen, vorgeschriebener Fortbildung, Qualität der ärztlichen Leistung und Patientenzufriedenheit fordert, ignoriert die Realität“, kommentiert der Präsident der Ärztekammer für Tirol, Artur Wechselberger, diese Pläne. Denn neben streng überwachten und kontrollierten Vorgaben bei der Verordnung von Medikamenten bestehen für alle Ärzte bereits jetzt eine Fortbildungsverpflichtung von mindestens 50 Stunden pro Jahr und laufende gesetzliche Qualitätsüberprüfungen. Zur Frage der Patientenzufriedenheit kann auf die aktuelle Untersuchung der Eisenbahnerkrankenkasse verwiesen werden, in der den Vertragsärzten von ihren Patienten das beste Zeugnis ausgestellt worden war.

Zur Zukunftsdynamik zeitlich beschränkter Kassenverträge hält Wechselberger fest, dass es wohl kaum Ärzte geben wird, die die Investitionen für eine große Kassenversorgungspraxis auf sich nehmen, wenn sie nicht sicher sind, dass diese Investitionen auch über einen längeren Zeitraum hinaus genutzt werden können. Und dass es in einem unattraktiven System keine Vertragsnachfolger geben könnte, zeigt zurzeit die Situation in Deutschland ganz drastisch. Eine Vielzahl verwaister Arztpraxen zwingt unsere Nachbarn, Ärztinnen und Ärzte aus anderen Ländern und damit auch aus Österreich mit Lockangeboten abzuwerben.

Eine Zugangsbarriere zur ärztlichen Versorgung und eine eklatante Einschränkung der freien Arztwahl sieht Kurienobmann Momen Radi in der angedachten Reduktion des ohnehin schon „mickrigen“ Kostenersatzes bei der Inanspruchnahme eines Wahlarztes. Diese Maßnahme und die Reduktion von Vertragsarztstellen drohen den Versorgungsstand um Jahrzehnte zurückzuwerfen.

Vorschläge wie die Einführung einer Erlagscheingebühr in der Höhe von einem Euro und Mahngebühren von 15 Euro, die Abschaffung von günstigeren Beiträgen für Sportvereine und Kultureinrichtungen sowie von Begünstigungen für Lehrlinge und ältere Arbeitnehmer zeigt von der absoluten Hilflosigkeit der Ersteller dieser Vorschläge.

„Insgesamt ein Armutszeugnis erster Klasse für die Lösungsansätze im Hauptverband aber besonders auch für die gesundheitspolitischen Vorgaben, die diese ausgelöst haben“, resümiert Präsident Wechselberger.