VERSORGUNGSSICHERHEIT



Versorgungssicherheit in Gefahr
 
Sprengelärztereferent MR Dr. Peter Zoller und Präsident
Dr. Artur Wechselberger präsentierten Lösungsvorschläge

Die Sicherstellung jederzeitiger Erreichbarkeit ärztlicher Hilfe ist eine der Aufgaben
des Sprengelarztes. Tirol ist in 76 Sanitätssprengel eingeteilt. Mit Ausnahme von
Innsbruck, wo ein Stadtphysikat eingerichtet ist, besorgt der Sprengelarzt für die
Gemeinden die sanitätspolizeilichen Aufgaben, zu deren Erfüllung die Gemeinden
gesetzlich verpflichtet sind, wie zum Beispiel die Totenbeschau.

Darüber hinaus obliegt es den Gemeinden, die Erreichbarkeit ärztlicher Hilfe zu sichern.
Auch diese Aufgabe ist dem Sprengelarzt übertragen.

Mittlerweile sind schon 10 Sanitätssprengel ohne Sprengelarzt. Anstehende Pensionierungen
von Sprengelärzten lassen einen weiteren Anstieg dieser Zahl und damit
zunehmende Lücken in der sprengelärztlichen und allgemeinärztlichen Versorgung
erwarten. 

Der Sprengelarzt

Der Sprengelarzt, die Sprengelärztin - in Tirol gibt es vier Ärztinnen, die diesen sonst
männerdominierten, beamteten Arztberuf ausüben - ist für die Erledigung wesentlicher
sanitätspolizeilicher Aufgaben zuständig. Dazu gehören die Totenbeschau, die
Überwachung von Trinkwasser und Friedhöfen sowie aller sanitären Belange, für die
eine Gemeinde verantwortlich ist.

Auch die Untersuchungen nach dem Unterbringungsgesetz
als Grundlage für die Zwangseinweisungen in eine geschlossene psychiatrische
Abteilung und die Feststellung von Alkoholisierung oder Drogenmissbrauch
im Straßenverkehr fallen in den Aufgabenbereich der lokalen Sanitätsbehörde
Sprengelarzt, die im Anlassfall auch den Amtsarzt vertreten muss.

Besonders gefordert ist der Sprengelarzt mit der Aufgabe, die jederzeitige Erreichbarkeit
ärztlicher Hilfe sicherzustellen. In Ermangelung eines organisierten und bezahlten
Bereitschaftsdienstes aller niedergelassenen Allgemeinmediziner während
der Woche muss oft der Sprengelarzt selbst herhalten und rund um die Uhr für die
Patientenbehandlung in den zum Sanitätssprengel zusammengeschlossenen Gemeinden
erreichbar sein.

Dem Sprengelarzt steht kein Aktivgehalt zu. Dafür zahlen die Anstellungsgemeinden
Pensionsbeiträge in den Pensionsfonds für Sprengelärzte ein, aus dem nach Erreichen
des Pensionsalters eine Pension ausbezahlt wird. Der Sprengelarzt ist aus seiner
Tätigkeit auch krankenversichert.

Problemstellung

Pensionierungen bzw. Zurücklegungen der sprengelärztlichen Tätigkeit haben zu
Vakanzen in mehreren Sanitätssprengeln geführt. Derzeit sind bereits 10 von 76 Sanitätssprengeln
ohne Sprengelarzt. Heuer und in den kommenden Jahren werden
weitere Sprengelärzte das Pensionsalter erreichen. Mangelndes Interesse junger
Ärztinnen und Ärzte lässt erwarten, dass auch diese Stellen nur schwer oder gar
nicht nachbesetzt werden können.

Derzeit unbesetzte Sprengelarztstellen:
Sanitätssprengel Axams
Sanitätssprengel Fügen
Sanitätssprengel Gries am Brenner
Sanitätssprengel Hopfgarten im Brixental
Sanitätssprengel Kufstein
Sanitätssprengel Landeck
Sanitätssprengel Ötz
Sanitätssprengel Steinach am Brenner
Sanitätssprengel Thiersee
Sanitätssprengel Westendorf

Ursachen

Die sprengelärztliche Tätigkeit ist für viele junge Ärztinnen und Ärzte nicht mehr attraktiv,
denn

- die Aufgaben eines Sprengelarztes haben über die Jahre stetig zugenommen.
Vor allem die Inanspruchnahme von Sprengelärzten für die Feststellung von
Alkoholisierung oder Drogenmissbrauch im Straßenverkehr, für Untersuchungen
nach dem Unterbringungsgesetz und für Hafttauglichkeitsuntersuchungen
ist deutlich gestiegen.

- Gleichzeitig ist es für Sprengelärzte immer schwieriger, das ganze Jahr 24
Stunden pro Tag die ärztliche Erreichbarkeit in einem Sanitätssprengel zu garantieren.
Nicht nur in abgelegenen Sprengeln finden Sprengelärzte oft keine
Vertretung und müssen daher dauernd Bereitschaftsdienst versehen, was eine
hohe Belastung für die Ärzte und deren Familien mit sich bringt.

- Die schrittweise Anhebung des Pensionsantrittsalters für Gemeindebeamte,
zuletzt die im Herbst 2007 vom Tiroler Landtag beschlossenen Anhebung von
61,5 auf 65 Jahre, hat die Motivation für Sprengelärzte noch mehr gedrückt
und die Attraktivität der sprengelärztlichen Tätigkeit zusätzlich vermindert. Die
Anhebung des Pensionsantrittsalters von 3 ½ Jahren führt zur Verpflichtung,
diese Zeit länger unentgeltlich zu arbeiten, und um diese Zeitspanne kürzer
die Pension zu beziehen.

- Last but not least: die Zeiten haben sich geändert. Wer ist heute schon noch
bereit ohne Aktivgehalt zu arbeiten? Ein vages Pensionsversprechen ist zu
wenig.

Erhebung der durchschnittlichen Einsätze der
Sprengelärzte in Tirol pro Jahr



Die Lösungsansätze der Ärztekammer für Tirol

Wie die Grafik zeigt, liegt der weitaus größte Teil der Arbeitsbelastung der Sprengelärzte
in der kurativen Patientenversorgung, also in der Tätigkeit, die nicht in den eigentlichen
sanitätspolizeilichen Aufgabenbereich fällt. Nachdem hier nur die kurativen
Einsätze erhoben wurden, die außerhalb der regulären Ordinationszeiten geleistet
wurden, sind es die Einsätze, die unter den Titel der Sicherstellung jederzeitiger
Erreichbarkeit ärztlicher Hilfe fallen.

Daraus ergibt sich, dass eine Arbeitsentlastung der Sprengelärzte unmittelbar mit der
Einführung eines geregelten Bereitschaftsdienstes der niedergelassenen Ärzte für
Allgemeinmedizin zusammenhängt. Ohne diese Maßnahme ist keine effektive Entlastung
und damit Erhöhung der Attraktivität des Berufes zu erwarten.


Daraus ergeben sich zwei Lösungsansätze. – Der „Sprengelarzt neu“ und der „Organisierte ärztliche Nacht-Bereitschaftsdienst“.

„Sprengelarzt neu“

Nur eine grundlegende Reform des seit 1952 in den wesentlichen Eckpunkten unveränderten
Gemeindesanitätsdienstgesetzes kann die sanitätspolizeiliche Versorgung
auf Gemeindeebene auch weiterhin sicherstellen. Der „Sprengelarzt neu“ muss
neben der Erfüllung der Versorgungsaufgaben auch die Bedürfnisse der Bevölkerung
und der Sprengelärzte im Auge behalten. Nur so wird es gelingen, die Tätigkeit des
Sprengelarztes für junge Ärztinnen und Ärzte wieder attraktiv zu machen.
Dazu gehören besonders:

- Loslösung der Verpflichtung zur kurativen Bereitschaft von der sprengelärztlichen
Aufgabe der Organisation eines Bereitschaftsdienstes.

- Überarbeitung des Leistungskatalogs für Sprengelärzte und Anpassung, bzw.
Weglassen veralteter Aufgabenbereiche.

- Entlastung der Sprengelärzte durch verstärkte Einbindung der Amtsärzte.

- Zusammenlegung von zwei Sanitätssprengeln zu Doppel-Sprengeln. Dies
kommt der erhöhten Mobilität von Bevölkerung und Sprengelärzten entgegen
und bietet den Vorteil, dass sich zwei Sprengelärzte die bestehenden Aufgaben
teilen und sich in ihrer Erfüllung vertreten könnten.

- Sonderregelung die sicherstellt, dass Sprengelärzte von der Pensionsreform
für Gemeindebedienstete ausgenommen werden und das Pensionsantrittsalter
keinesfalls über 61,5 Jahren liegt.

- Beibehaltung des Systems der Sanitätssprengel mit beamteten Sprengelärzten.

– Dies ist die weitaus kostengünstigste Form der Erfüllung der sanitätspolizeilichen
Aufgaben der Gemeinden.

- Sollte der Landesgesetzgeber dennoch ein System mit Übertragung dieser
Aufgaben auf Ärzte mit dienst- oder werkvertraglicher Bindung bevorzugen
(vergleichbar mit der Regelung in Vorarlberg) müssen Übergangsregelungen
die bestehenden Sprengelärzte absichern oder ihnen mit attraktiven Angeboten
den Umstieg ins neue System erleichtern.

„Organisierter ärztlicher Nacht-Bereitschaftsdienst“

Die Einführung eines tirolweiten, organisierten und bezahlten ärztlichen Nacht-
Bereitschaftsdienstes durch niedergelassene Ärzte für Allgemeinmedizin wird die
Sprengelärzte maßgeblich entlasten und eine Verbesserung der kurativen ärztlichen
Versorgung vor Ort und außerhalb der Ordinationszeiten der ansässigen Ärzte gewährleisten.
Allein die damit verbundene Entlastung der Ambulanzen der Krankenhäuser von Patienten,
die bei einem flächendeckenden Bereitschaftsdienst von den Hausärzten
versorgt werden könnten, verspricht annähernde Kostenneutralität bei geschätzten
zwei Mio Euro jährlichen Gesamtkosten.

Eckpunkte für einen Bereitschaftsdienst wie er in vielen Bundesländern wie Salzburg,
Kärnten und Vorarlberg schon seit Jahren erfolgreich umgesetzt wird sind:
- Dienstdauer von Montag bis Donnerstag von 19.00 Uhr bis 7.00 Uhr und am
Freitag von 13.00 Uhr bis Samstag 7.00.

- Die Versorgungssprengel entsprechen den bestehenden 55 Wochenenddienstsprengeln.

- Die Dienstsprengeleinteilung erfolgt analog zu dem bisherigen Wochenendbereitschaftsdienst
durch den Sprengelarzt in organisatorischer Zusammenarbeit
mit der Ärztekammer für Tirol.

- Der Dienst in Innsbruck wird analog zum Wochenenddienst mit jeweils zwei
gleichzeitig diensthabenden Ärzten geführt.

- Eine zentrale und einheitliche Rufnummer für den hausärztlichen Bereitschaftsdienst
soll die Kontaktaufnahme und die Inanspruchnahme erleichtern.

- Zur Teilnahme an diesem Bereitschaftsdienst sind alle niedergelassenen Ärzte
für Allgemeinmedizin (Kassenvertragsärzte wie Wahlärzte) aufgerufen, die
Teilnahme soll – solange es genügend freiwillige Ärzte gibt - freiwillig sein.

- Die Einführung des neuen Versorgungsangebote kann innerhalb von 3 Monaten
gestartet werden.

Umsetzung

Eine Expertengruppe in der Ärztekammer für Tirol hat die Konzepte zum „Sprengelarzt
neu“ und zum „organisierten ärztlichen Nacht-Bereitschaftsdienst“ detailliert ausgearbeitet
und den Verantwortlichen in der Tiroler Landesregierung, dem Gemeindeverband
und Vertretern des Tiroler Landtages sowie der Tiroler Gebietskrankenkasse
vorgestellt. Sie fordert und erwartet im Sinne der Versorgungssicherheit im Gemeindesanitätsdienst aber auch in der kurativen Versorgung der Bevölkerung die rasche
Umsetzung.

Innsbruck, 12.3.2008
Präsident Dr. Artur Wechselberger